Austausch in schweren Zeiten: Krebs-Selbsthilfegruppen

Von heute auf morgen kann die Welt aufgrund einer bitteren Diagnose zusammenbrechen: Krebs. Viele Betroffene wissen nicht, was auf sie zukommt und wie sie am besten mit der Situation umgehen. In Selbsthilfegruppen finden sie einen Ort, an dem sie sich gegenseitig seelisch stützen, Fragen zum Krebs beantwortet bekommen und Tipps sowie Erfahrungen austauschen. Wir haben uns über das Thema mit Dirk Rohde unterhalten, der nach überstandener Krebserkrankung Ende 2016 eine Krebs-Selbsthilfegruppe gründete. Diese trifft sich monatlich im Kölner Dysphagiezentrum.

Du bist nicht allein

In der Selbsthilfegruppe kommen Menschen zusammen, die an Krebs erkrankt sind oder kranke Angehörige haben. Alle Teilnehmenden kommunizieren hier auf Augenhöhe über ein Thema, das alle gemeinsam haben. „Wenn jetzt jemand Kopf-Hals-Mund-Krebs hat, der Probleme mit dem Schlucken, Sprechen oder Aussehen hat, weil Kopf-hals-Mund-Krebs auch entstellt, dann können sich gesunde Menschen das schwer vorstellen, wie belastend das sein kann. Aber jemand, der diese Erkrankung und diese psychischen Ängste auch durchgemacht hat, hat eine andere Empathie für diese Gespräche. Da hören wir einander zu. In der Selbsthilfegruppe spüren die Mitglieder, dass sie ernst genommen werden und nicht alleine sind. Dadurch entsteht ein Wir-Gefühl. Gleiche Interessen, gleiche Probleme. So können die Mitglieder sich stützen und unterstützen“, so Dirk Rohde.

Selbsthilfegruppen aufsuchen

Der Zeitpunkt, wann Betroffene und Angehörige eine Selbsthilfegruppe aufsuchen, variiert in jeder individuellen Situation. Manche wollen zeitnah nach der Diagnose eine Zuflucht finden und sich beraten lassen. Andere möchten nach der Therapie einer Selbsthilfegruppe beitreten, da sie während der Strahlen- und Chemotherapie keine Kraft dafür haben.

Zweiteres war bei Dirk Rohde der Fall: „Ich war damit befasst, die Therapie durchzustehen – ich hätte einfach keine Kraft gehabt. Aber nach Ende der Therapie, als ich Zuhause war, da war dann absolute Stille, keine Arztbesuche mehr, nichts. Und dann fangen die Gedanken an zu wandern. Irgendwann kann man wieder anfangen einkaufen zu gehen, nach ein paar Wochen Auto fahren. Das war die Zeit, in der ich mich persönlich nach einem Austausch sehnte. Ich war seelisch und körperlich stark angeschlagen. Hatte Angst zu sterben und davor, dass der Krebs wiederkommt. Bei jedem Pickel hatte ich den Verdacht, dass das wieder ein maligner Prozess ist, bei jedem Halsschmerz die Frage, ob da wieder etwas Neues gewachsen ist. Da wäre der Austausch mit Menschen, die das hinter sich haben und das überlebt haben, sehr hilfreich gewesen. Ich habe dann im Internet gesucht und eine Gruppe gefunden und bin nach Frankfurt gefahren zu einem persönlichen Treffen. In Köln gab es das nicht, also habe ich hier selbst eine Selbsthilfegruppe gegründet.“

Vortrag und Austausch: Ablauf einer Selbsthilfegruppen-Sitzung

Neben dem emotionalen Austausch und fachlichen Vorträgen gilt es in den Sitzungen vor allem das Gefühl zu vermitteln, dass niemand in dieser Situation allein ist.

In Dirk Rohdes Gruppe variieren die Sitzungen inhaltlich: „Ich lade öfter Ärzte für einen Vortrag ein. Das können HNO-Ärzte, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen oder Komplementär-Mediziner sein. Einmal kam der erste Vorsitzende des Vereins Stark gegen Krebs. Doch meistens treffen wir uns einfach zum Austausch. Hier bekommt jeder die Möglichkeit, von seiner Situation zu erzählen. Daraus ergibt sich meist von allein ein reger Austausch, sodass ich für gewöhnlich nur noch die Position des Moderators einnehme. So werden zwei bis drei Stunden leicht gefüllt. Für eine Sitzung finde ich persönlich 10-15 Personen optimal, damit man zu einer homogenen Gruppe wird und jeder zu Wort kommt.“

Selbsthilfe während Corona

Große Herausforderungen für die Organisation der Selbsthilfegruppen gab es seit Anfang der Pandemie. Die Patientinnen und Patienten konnten seltener teilnehmen, da sie durch die Erkrankung zu einer Risikogruppe gehören und eine (lebensgefährliche) Ansteckungsgefahr fürchteten. Darüber hinaus waren Online-Sitzungen aufgrund des höheren Alters vieler Mitglieder schwer umsetzbar.

Dirk Rohde fasst die schwierige Zeit für die Kölner Selbsthilfegruppe so zusammen: „Für Menschen kurz nach der Therapie, die alleine sind, hat sich die Einsamkeit potenziert innerhalb der Corona-Zeiten. Es gab zudem Fälle, in denen man Operationstermine verschoben hat, um Betten freizuhalten. Der Wunsch, dass wir uns dennoch treffen, wurde an mich herangetragen. Es gab dann eine Ausnahme für Treffen medizinischer Selbsthilfegruppen, sodass wir uns zumindest alle paar Monate sehen konnten.“

Sie sind auf der Suche nach einer Selbsthilfegruppe?

Es gibt deutschlandweit zahlreiche Anlaufstellen für Krebserkrankte. Wenn Sie oder ein Ihnen geliebter Mensch erkrankt sind, dann können Sie beispielsweise folgende Organisationen kontaktieren:

Über Dirk Rohde

Dirk Rohde alias Don ist leidenschaftlicher Polizist und erfolgreicher Krebsblogger. Nach der Behandlung seiner Krebserkrankung begann er auf Facebook und Instagram seine Erlebnisse niederzuschreiben und erreicht mittlerweile ein sehr großes Publikum. Seit 2017 hat er seine Tätigkeit als Motorradpolizist wieder aufgenommen.

In seiner Freizeit widmet er sich mit Leib und Seele mehreren ehrenamtlichen Tätigkeiten: Er ist als Patientenbetreuer aktiv im Kopf-Hals-Mund-Krebs e. V. und bietet regelmäßig Erkrankten und ihren Angehörigen Gespräche zur Verarbeitung an. Zudem hilft er als zertifizierter isPO-Onkolotse Menschen, die erstmalig mit der Krebsdiagnose konfrontiert sind, mit Gesprächen und weiterführenden Hilfsprogrammen. So können die Betroffenen die Erkrankung aus psychosozialer Ebene besser bewältigen. Neben der Leitung der Selbsthilfegruppe Köln macht Dirk Rohde vor allem auch den kleinen Patientinnen und Patienten Mut und lenkt sie vom anstrengenden Klinikalltag ab: Er setzt sich seit mehreren Jahren stark für die Kinderkrebshilfe ein.

Zu seinen aktuellen Projekten gehört u. a. die Wanderausstellung „HPV hat viele Gesichter“, die vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg am 13.09.2021 eröffnet wurde.

Mehr zu Dirk Rohde können Sie hier lesen:

  1. Interview: Schockdiagnose Krebs: Plötzlich Krebsblogger
  2. Interview: Krebspatienten hilft das Gespräch auf Augenhöhe