Zwischen Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und umstrittenen Kassenleistungen
Am 08. März feiert die Welt wie jedes Jahr den Internationalen Tag der Frauen. Geschichtlich geht er auf die Tradition und das Engagement der sozialistischen Frauenbewegung zurück. Zum ersten Mal demonstrierten in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA Frauen und Männer am 19. März 1911 für Solidarität, gleiche und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für Frauen. Schnell wurde die Idee auch in anderen Ländern wie Frankreich, Schweden, Russland, der Tschechoslowakei und den Niederlanden aufgegriffen.
Heute steht der Tag zudem für die Selbstbestimmung der Frau. Aber nicht in allen Kulturen und Ländern haben Frauen ein Recht darauf. Als Eigentum ihres Ehemannes sind sie weder arbeitsberechtigt noch dürfen sie wichtige Entscheidungen treffen. Ihnen bleiben teilweise aus religiösen Gründen sogar gynäkologische Untersuchungen verwehrt, selbst wenn die Krankheiten tödlich sind.
Selbstbestimmung bedeutet Eigenverantwortung
Frauen, die das Glück haben, selbst über sich und ihren Körper entscheiden zu können, sollten sich bewusst sein, dass dies mit großer Eigenverantwortung einhergeht. „Frau“ entscheidet, welchen Stellenwert ihre Gesundheit einnimmt und wie wichtig ihr regelmäßige (Vorsorge-) Untersuchungen sind. Oftmals bleiben jedoch gerade diese auf der Strecke. Speziell in jungen Jahren wird wenig über Krankheiten nachgedacht.
Gerade das Thema Gebärmutterhalskrebs ist bereits in jungen Jahren aktuell, da diese Erkrankung durch humane Papillomviren (HPV), die sexuell übertragen werden, ausgelöst wird. Knapp die Hälfte aller Krebs-Neuerkrankungen wird bei Frauen unter 50 festgestellt, bei prä-invasiven Erkrankungen ist sogar die Hälfte aller Erkrankten deutlich unter 40 Jahren [1].
Fast jede Frau durchläuft während ihres Lebens eine HPV-Infektion, glücklicherweise entwickelt sich nur in wenigen Fällen daraus ein Zervixkarzinom. Trotzdem ist Gebärmutterhalskrebs mit ca. 530.000 neuen Fällen pro Jahr die dritthäufigste Krebserkrankung bei Frauen weltweit, mehr als die Hälfte aller Erkrankungen verlaufen tödlich. Pro Jahr verzeichnet Europa ca. 55.000 Neuerkrankungen (World Health Organization, 2010), in Deutschland erhalten etwa 4.600 Frauen jährlich die Diagnose Zervixkarzinom (Robert Koch-Institut, 2012).
Aus diesem Grund und vor allem, weil Vorsorgeuntersuchungen gerade in jungen Jahren vorgenommen werden sollten, machen sich Stiftungen wie die Marie Keating Foundation für eben solche stark.
Nach dem Tod ihre Mutter Marie, die 1998 an Brustkrebs verstarb, machte es sich die Keating-Familie zum Ziel, allen Frauen und deren Familien lebenswichtige Informationen zur Vorsorge gegen Krebs bereitzustellen und ihnen durch Aufklärung ein wenig die Angst vor dieser Krankheit zu nehmen. So werden beispielsweise im Januar, dem „Gebärmutterhalskrebs-Monat“, durch verschiedene Aktionen wie „Don’t fear the smear“ auf die Wichtigkeit der Vorsorgeuntersuchung durch den Abstrich hingewiesen.
Wo die Irinnen 3.285 Minuten im Jahr für Make-Up, 3.513 Minuten für Haar-Styling und 577 Minuten zum Beine-Rasieren aufbringen, sollten doch auch 5 Minuten für einen Vorsorgeuntersuchung drin sein – so die sinngemäße Übersetzung des Aufrufes der Stiftung.
Vorsorge durch Impfung
Die meisten Frauen tragen nicht nur für sich selbst eine große Verantwortung, sondern auch für ihre Kinder.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt seit Sommer 2014 die Impfung gegen die HPV-Typen 16 und 18 für alle Mädchen [2]. Nachdem in den ersten Jahren Mädchen von 12 bis 17 Jahren geimpft wurden, wird seit 2014 empfohlen Mädchen bereits zwischen dem 9. und 14. Lebensjahr zu impfen. Zum einen benötigen jüngere Mädchen nur zwei statt drei Impfdosen, zum anderen ist ein Großteil der 17-Jährigen bereits sexuell aktiv. Eine vollständige Impfserie sollte jedoch vor dem ersten Geschlechtsverkehr abgeschlossen sein.
Eine aktuelle Studie des Robert Koch Instituts ([3] veröffentlicht am 16. Januar 2016) zeigt, dass die HPV-Impfung bisher ganz unterschiedlich angenommen wird, obwohl die Krankenkassen die Kosten tragen. Die Studie umfasste mit 1,13 Mio Stichproben 49 % der Gesamt-Zielpopulation, (Mädchen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren). Die Auswertung nahezu aller Regionen belegt, dass in Deutschland auch sechs Jahre nach Aufnahme in den nationalen Impfkalender die bundesweite Quote der HPV-Impfung noch immer unter 50 % liegt.
Eine komplette Immunisierung konnte nur bei 0,7 % der 12-Jährigen und bei 40,0% der 17-Jährigen festgestellt werden. Zudem zeigen die Impfquoten zwischen den Bundesländern deutliche Unterschiede: Bei den 12-Jährigen liegt die niedrigste vollständige Immunisierung mit 0,3% in Baden-Württemberg und Bremen, die höchste Quote mit 2,2 % in Sachsen-Anhalt. Bei den 17-Jährigen sind die Werte zwar deutlich höher, aber im Verhältnis ähnlich. Die niedrigste Quote (29,7 %) wurde in Bremen ermittelt, die höchste (59,3 %) in Mecklenburg-Vorpommern.
HPV-Test demnächst als Kassenleistung anerkannt
Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass eine Impfung keinesfalls eine regelmäßige, gründliche Vorsorge ersetzt. Die Impfung schützt nämlich nicht gegen alle HPV-Viren, die den Krebs auslösen können.
Bisher wird der sogenannte Pap-Abstrich jährlich bei der Routineuntersuchung durchgeführt und auf Hinweise von Gewebeveränderungen untersucht. Gegen Ende dieses Jahres sollen sich Frauen ab 30 Jahren im Vorfeld der Routineuntersuchung entscheiden können, ob sie statt des einfachen Pap-Abstriches gleich den HPV-Test durchführen lassen möchten. Die Vorteile dieser neuen Vorgehensweise liegen klar auf der Hand:
Die Frau braucht nicht mehr bei jedem der jährlichen Besuche beim Gynäkologen die Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung durchführen lassen, da bei einem negativen Ergebnis der HPV-Testung ein drei- bis fünf-jähriger Untersuchungsrhythmus ausreicht.
Dass der HPV-Test nun als Kassenleistung anerkannt wird und von Patientinnen gewählt werden kann, stellt einen großen Fortschritt im Kampf gegen Gebärmutterhalskrebs dar: Liegt keine HPV-Infektion vor, gibt es mit sehr großer Sicherheit auch keine Krebserkrankung. Wird eine Infektion mit HPV nachgewiesen, können weiterführende Untersuchungen klären, ob diese Infektion vorübergehend ist (9 von 10 Fällen) oder in welchem Stadium sich die Krebsvorstufe befindet. Rund 60% der bisher durchgeführten Operationen sind unnötig. Von diesen würden viele mit einer Kombination aus einem HPV-Test und einem Abklärungstest verhindert. Frauen haben eindeutige Gewissheit – von Anfang an.
Derzeit wird der Beschluss, den HPV-Test als Kassenleistung anzuerkennen noch stark von Gynäkologen kritisiert. Man möchte den Frauen nicht zumuten, sich zwischen zwei Verfahren entscheiden zu müssen. Es käme eher zu Verwirrung und Unsicherheiten seitens der Patientinnen. Wir sind aber der Meinung, dass eine entsprechend informierte Frau durchaus selbst entscheiden kann, welche Art der Diagnostik sie bei der Vorsorgeuntersuchung bevorzugt.
In diesem Sinne wünschen wir allen Mädchen und Frauen alles Gute zum internationalen Frauentag.
—————–
Quellen:
[1] Gebärmutterhals C53, D06 Erstdiagnosejahre 2002-2013 Tumorzentrum der Universität Erlangen-Nürnberg © Tumorzentrum der Universität Erlangen-Nürnberg, Qualitätsbericht.
[2] Focus.de (Zugriff am 03. März 2016)
[3] Robert Koch-Institut, Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. HPV-Impfquoten im Regionalvergleich: Eine Sekundärdatenanalyse aus der KV-Impfsurveillance. Link (Zugriff am 03. März 2016)